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Filmkritik des Deutsch-Vertiefungskurses (EF)

Kollaboratives Arbeitsergebnis aus dem Distanzunterricht

Einleitung

Der Vertiefungskurs Deutsch hat sich zum Ende des ersten Halbjahres mit dem Film „Der Vorleser" (2008)  beschäftigt. Dieser basiert auf dem berühmten, gleichnamigen Roman des deutschen Schriftstellers Bernhard Schlink aus dem Jahr 1995. Die Handlung beginnt Ende der 1950er Jahre in Heidelberg. Im Zentrum steht die Beziehung des 15-jährigen Michaels und der 36-jährigen Hanna. In der ungleichen Beziehung, die sich aus einer eher zufälligen Begegnung der beiden Protagonisten ergibt, spielt allerdings nicht nur der Altersunterschied eine große Rolle.

 
Einordnung in den historischen Kontext

Der Film spielt in der Nachkriegszeit. In dieser gestanden viele deutsche Politiker die Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg ein. Zudem wurden sehr starke Bemühungen zur Entnazifizierung Deutschlands unternommen. Dazu gehörte unter anderem, dass Deutschland 70 Milliarden Dollar Reparationszahlungen an den Staat Israel und weitere 15 Millionen an die Überlebenden des Holocaust zahlte und dass Symbole des Faschismus sowie die sogenannte Volksverhetzung verboten wurden. Außerdem halfen die westdeutschen Staatsorgane, Kriegsverbrecher und Nazigrößen aufzuspüren, die sich dann entweder in den Nürnberger Prozessen verantworten mussten oder später an die CIA und den israelischen Mossad ausgeliefert wurden. 

Neben den genannten Maßnahmen gab es aber auch Kritik an dem Vorgehen der Besatzungsmächte, Deutschland in Besatzungszonen aufzuteilen und das den Deutschen fremdgewordene System der Demokratie wiedereinzuführen, welches viele aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik als zum Scheitern verurteilt ansahen. Zudem kamen auch schon relativ früh vereinzelte Forderungen auf wie: „Genug ist genug“ oder „Man müsse die Sache mit den Juden ruhen lassen“, vor dem Hintergrund der Behauptung, dass man als Gesellschaft ja von nichts gewusst habe. Auch in der Formulierung Stunde Null für den unmittelbaren Zeitpunkt nach der Kapitulation Deutschlands spiegelt sich die kritische Haltung im Umgang mit den Ereignissen der Vergangenheit und des Krieges wider. Viele Menschen wollten endgültig mit der Vergangenheit abschließen.

Die Nachkriegszeit war indes vom wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas geprägt. Im Westen Deutschlands hatten die Amerikaner das Sagen, im Osten die Sowjets. Diese Konkurrenz bildete den Anfang des Kalten Krieges in Europa. Ein früher Höhepunkt dieses Konfliktes war die Gründung zweier Deutscher Staaten, der BRD und der DDR. In Westdeutschland gab es Mitte der 1950er Jahre das sogenannte Wirtschaftswunder. Dieses führte dazu, dass viele Menschen im Westen wieder Geld hatten und die Wirtschaft florierte und wuchs. Die DDR wiederum wurde bis in die Mitte der 50er Jahre als Wiedergutmachung der Deutschen bei den Sowjets immer weiter deindustrialisiert. Infolgedessen stieg unter anderem die Kriminalitätsrate und der Schwarzmarkt blühten. Diese Situation erhöhte die Unzufriedenheit der Bevölkerung so sehr, dass die DDR die Berliner Mauer baute, um die in den Westen Fliehenden aufzuhalten. Dies führte zum Aufstand des 17. Juni 1953, den die DDR brutal niederschlug. Trotz der Bemühungen kollabierte die DDR und mit ihr der Ostblock 1989/1990 aufgrund der zu hohen Überschuldung wirtschaftlich und aufgrund der nicht mehr hingenommenen Repressionen gesellschaftlich. Der Prozess der Reparationszahlungen endete 1990, als die Regierung des wiedervereinigten Deutschlands Forderungen der Briten und Franzosen aus ehemalig ostdeutschen Mitteln ablehnte.

Trotz des inzwischen relativ großen, zeitlichen Abstandes zu den Verbrechen des NS-Regimes und des hohen Alters der Beteiligten, werden auch aktuell immer noch einzelne Fälle vor Gericht verhandelt. So wird derzeit etwa in verschiedenen Fällen gegen ehemalige SS-Wachmänner ermittelt, denen Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird.


Kameraeinstellung

Bei der Umsetzung der Romanhandlung als Film rücken auch die für das Medium typische Werkzeuge in den Fokus. Als zentrales Werkzeug der Filmsprache gilt die Filmkamera. Damit einher gehen die unterschiedlichen Arten der Kameraeinstellung. Jede davon hat Auswirkungen darauf, wie der Zuschauer eine Filmhandlung wahrnimmt und erlebt. In den unterschiedlichen Situationen werden demnach auch die Ansichten gewechselt, sie verändern sich im Verlauf des Films natürlich ständig. Die Ansichten, die in „Der Vorleser“ häufig gewählt wurden, sind im Folgenden aufgeführt: Zum einen gibt es die Panoramaansicht, auch Totale genannt, welche einen guten Überblick über die gesamte Umgebung verschafft, damit der Zuschauer die Situation gut einordnen und die generelle Stimmung erfassen kann. Außerdem liegt in diesem Film oftmals die Detailansicht vor, welche wichtige Dinge in Szene setzt und durch die besonders Spannung aufgebaut werden kann. Die letzte untersuchte Ansicht ist die Nahansicht, welche oft bei den Gesprächen zwischen den Protagonisten gewählt wird, um den Zuschauer in den Film zu integrieren und ihm das Gefühl zu geben, sehr nah dabei zu sein.


Hannas Situation und die Bedeutung des Vorlesens

Die Protagonistin Hanna Schmitz ist zu Beginn des Films 36 Jahre alt und arbeitet als Straßenbahnschaffnerin. Sie nimmt sich Michael Berg zu Beginn auf eine mütterliche Art und Weise an, trotzdem macht sie eher einen kühlen Eindruck. Sie ist sehr direkt, gibt Michael Kommandos und akzeptiert keine Widerrede. Auch im weiteren Verlauf des Films behält man von ihr das Bild einer starren, sich nicht verändernden, beinahe emotionslosen Person: Ihren Spitznamen für Michael „Jungchen" behält sie bei, obwohl er irgendwann erwachsen und selbstständig geworden ist.

Als Michael sie Jahre nach der Affäre vor Gericht in ihrem Prozess bezüglich ihrer Tätigkeit als Aufseherin im KZ wiedersieht, zeigt sie sich ohne jegliches Mitgefühl für die Inhaftierten. Michael, der als Zuschauer im Rahmen seines Jurastudiums den Prozess verfolgt, realisiert in dem Moment, warum er ihr, so wie die Häftlinge, immer wieder vorlesen sollte. Hanna nimmt fälschlicherweise alle Verantwortung auf sich, um ihr Geheimnis zu bewahren: Sie ist Analphabetin und kann weder lesen noch schreiben. Man weiß nicht, ob sie einfach keinerlei Bildung erfahren hat oder diese nicht nutzen konnte (z. B. aufgrund von Legasthenie). Da Hanna aufgrund ihrer Tätigkeiten im KZ zu lebenslanger Haft verurteilt wird, nutzt sie die Zeit, um sich selbst das Lesen und Schreiben beizubringen. Dank der Tonaufnahmen, die Michael ihr schickt und in denen er ihr vorliest, gelingt es ihr Stück für Stück, sich die Wörter und Buchstaben zu erarbeiten und später sogar Nachrichten und Briefe zu verfassen.

 
Entwicklung des Protagonisten Michael

Zu Beginn ist der erst 15-jährige Michael eher schüchtern und zurückhaltend, was man beispielsweise am Esstisch merkt, wo er sehr ruhig ist und merklich großen Respekt gegenüber seinem Vater hat. Bei Hanna kann er sich öffnen und mit der Zeit wirkt er immer fröhlicher, lacht mehr und erscheint bei ihr zufriedener als zuhause, glücklicher als irgendwo anders. Als er dann schließlich von ihrer Vergangenheit erfährt, ist er hin- und hergerissen, man merkt, dass er Hanna eigentlich liebt, aber das Wissen über ihre Vergangenheit das Gefühl blockiert. Man könnte sagen, dass sein Bauch sie liebt, sein Kopf ihn aber davon abhält und ihn dazu zwingt, rational zu denken und nicht blind seinen Gefühlen zu folgen. Sein großes Problem ist, dass er sich niemandem öffnen möchte, weshalb er sich immer mehr zurückzieht und abschottet. Er frisst seine Gedanken immer weiter in sich hinein, lässt sich nicht helfen, kann aber auch keinen Schlussstrich ziehen (z. B. durch einen Neuanfang mit einem offensichtlich an ihm interessierten Mädchen aus seiner Klasse), da sein Herz immer noch Hanna liebt und er sie in der schwersten Zeit ihres Lebens auch nicht plötzlich alleine lassen möchte, weshalb er ihr auch noch Jahre später Kassetten schickt, auf denen er vorliest.

Michael lebt sein Leben weiter, aber auch nach fast 20 Jahren, als er Hanna aus dem Gefängnis abholen soll, hat er noch immer nicht abgeschlossen und wirkt nicht wirklich glücklich. Seine Ehe ging in die Brüche und er ist in allen Szenen am Ende alleine. Erst als er sie dann wiedersieht, versteht er, dass nichts mehr so ist, wie es war. Er empfindet nichts mehr für Hanna, ihn befreit diese Erfahrung, sie kostet es das Leben. Dass die ganze Zeit für ihn eine große Belastung war, merkt man daran, dass er, als sie stirbt, nicht traurig ist. Er kann endlich mit der Situation abschließen, indem er ihr den letzten Wunsch erfüllt.


Die Beziehung der Protagonisten Hanna und Michael

Die Beziehung der beiden Protagonisten wird besonders durch den großen Altersunterschied von 21 Jahren geprägt. Hanna stammt aus einfachen Verhältnissen und ist nicht gebildet, während Michael aus dem Bildungsbürgertum kommt. Die Treffen, also auch die Beziehung der beiden, sind sehr eintönig und bilden ein Ritual, in welchem der körperliche Kontakt der Protagonisten eine wichtige Rolle spielt. Sie halten ihre Beziehung geheim, was besonders in Hannas Interesse ist.

Beide sind sich in der Hinsicht sehr ähnlich, dass sie einsam sind, ihre eigenen Wege gehen und sich von anderen Leuten entfremden. Die Beziehung verschafft beiden eher eine persönliche Erfahrung für sich selbst anstelle einer Beziehungserfahrung. Obwohl sie sich nicht gut kennen, überbrücken ihre ritualisierten Treffen diese Probleme. Da alle Treffen gleich verlaufen, kann es nicht zu Streit kommen und es wird auch nicht der Anschein gemacht, als ob sie jeweils mehr über den anderen erfahren wollten. Die Beziehung zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass Hanna sich zwischenzeitlich wie eine Mutter gegenüber Michael verhält, indem sie ihn wäscht und sich um ihn kümmert, während er krank ist. Diese Handlungen lassen darauf schließen, dass Hanna eine sehr dominante Persönlichkeit ist.

Dennoch profitieren beide während der Beziehung voneinander. Hanna lernt durch Michael die Literatur, welche sie so liebt, besser kennen, da er ihr diese immer vorliest, wenn er sie besucht. Michael fühlt sich einerseits durch seine Pubertät körperlich sehr zu Hanna hingezogen. Andererseits wird er durch die Beziehung reifer und schafft es gleichzeitig, sich immer mehr von seiner Familie zu lösen.

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